Freiheit für die Ultras! Freiheit für die Gezi-Protestierenden!

gezi-1Das Flugblatt zum Film.

Im Sommer 2013 kam es in der Türkei zu anhaltenden Demonstrationen und Aktionen gegen die autoritäre Politik der Regierung Recep Tayyip Erdoğans und seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Begonnen hatten diese Proteste in Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bau- projekt im Gezi-Park, der direkt an den zentralen Platz in Istanbul angrenzt. Insbesondere nach der Eskalation des Konfliktes infolge eines brutalen und gewaltsamen Polizeieinsatz am 31.Mai 2013 sprang die Bewegung auf viele andere Städte der Türkei und darüber hinaus über. Immer mehr Menschen aus immer mehr Spektren beteiligten sich an den Protesten: Aus dem etabli- erten bürgerlichen Lager ebenso wie aus Organisationen der traditionellen Linken, aber insbesondere auch viele SchülerInnen, StudentInnen und eben auch Ultras – Fußball-Fans der drei großen Istanbuler Vereine.

Selbst nach offiziellen Angaben beteiligten sich während der ersten drei Monate schon mehr als 3,5 Millionen Menschen an rund 5000 Demonstra- tionen. Auch die Forderungen wuchsen über den reinen Erhalt des Gezi- Parks hinaus: Freiheit, Achtung der Menschenrechte, mehr Demokratie und den Rücktritt der Regierung.

Kein Wunder, dass der konservative und als korrupt und machtversessen kritisierte Erdogan die Protestierenden als „Staatsfeinde“ und „Terroristen“ beschimpfte und zum Gegenangriff blies.

Immer wieder kam es dabei zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Folge des brutalen Vorge- hens der Polizei starben mindestens sieben Menschen, über 8100 Menschen wurden nach Angaben des türkischen Ärzteverbandes verletzt.

Nach Angaben der türkischen Stiftung für Menschenrechte kam es bei den Antiregierungsprotesten zu 5.895 Verhaftungen in 80 Provinzen, es wird in 105 Prozessen Anklage erhoben: Die meisten Anklagen lauteten von Aufruf zu öffentlichem Aufruhr, über Widerstand gegen die Staatsgewalt bis hin zu Mitgliedschaft oder Bildung einer terroristischen Organisation. So befanden auch 64 Journalisten im Gefängnis und 123 weitere Journalisten würden im Zusammenhang mit Terrorismusvorwürfen angeklagt. Besonders betroffen von den Festnahmen waren Mitglieder von NGOs (mehr als die Hälfte) und der diversen linken und kommunistischen Parteien und Organisationen.

Einige der Fälle erhielten internationale Aufmerksamkeit, so etwa das „Gezi-

Hauptverfahren“ gegen die 60-jährige Mücella Yapici von der Istanbuler Architektenkammer, den Generalsekretär der Ärztekammer und 24 weitere Mitglieder der Taksim-Solidarität, für welche die Anklage Haftstrafen zwis- chen 7,5 und 29 Jahren fordert. Oder das Verfahren gegen die 20-jähige Stu- dentin Ayse Deniz Karacagil, die die Staatsanwaltschaft von Antalya mit einer gewagten Beweisführung – Gasmaske, Taucherbrille, roter Schal – wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung für 98 Jahre ins Gefängnis geschickt hätte. Zum Glück ist es der Angeklagten offenbar gelungen, sich der kurdischen PKK anschließen und dieser Absurdität zu entziehen.

Drohende lebenslange Haftstrafen

Lebenslänglich fordert die Staatsanwaltschaft nun für 35 Mitglieder der Besiktas Ultras von „Çarsi“, einer linken Fangruppe, die sich über ihr Engage- ment im Stadion auch für soziale Themen und gegen Krieg engagierten. Auch bei den Protesten spielten sie eine besondere Rolle: Sie schlichteten Streits zwischen den verschiedenen politischen Gruppen, trugen den Humor der Fankurve in die Proteste und wurden so zum Symbol für die Revolte – und sollen deswegen so hart bestraft werden. Der Vorwurf: Sie hätten die Regierung umstürzen wollen.

Wir finden, Erdogan und sein korruptes konservatives System stürzen zu wollen, ist völlig legitim und erfährt unsere volle Solidarität, genauso wie die kriminalisierten Ultras. Wir fanden die Form, Art und Weise der Gezi-Proteste mutig und inspirierend. Wir wünschen uns diese Vielfältigkeit und Leben- digkeit der Proteste all zu oft endlich auch einmal hier zu lande, wir würden sie nur all zu gern in das Herzen der Bestie des europäischen Krisenregimes tragen. In diesem Sinne:
Freiheit für die Ultras und die Gezi-ProtestlerInnen!
Der Widerstand ist legitim und wunderbar!

Weltweite Zunahme an Aufständen

Die Proteste in der Türkei im Sommer letzten Jahres reihen sich für uns in eine ganze Reihe von weltweiten Kämpfen ein: Kämpfen gegen autoritäre Regierungen, für mehr Demokratie und Teilhabe, gegen Armut und Ausbeu- tung.
Die Verwerfungen des neoliberalen Kapitalismus treibt in den letzten Jahren immer mehr Leute auf die Straße, es kommt global zu immer mehr Protesten und Revolten wie seit Jahren nicht. Seien es die Kämpfe im sogenannten

arabischen Frühling, die weltweiten Occupy-Proteste gegen den globalen Ka- pitalismus oder die Proteste im Süden Europas angesichts der Zumutung der Krisenverwaltung der Troika – immer wieder besetzten Menschen zentrale Plätze, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.

Es ist jedoch ein offener Prozess, wie die Repression in der Türkei zeigt.
Ob Fortschritt, Menschlichkeit und Vernunft siegen oder es zu einer reak- tionären Wendung oder staatlicher Repression kommt, ist offen. Es droht im schlimmsten Fall der Rückfall in die Barbarei des Bürgerkrieges, wie etwa in Syrien. Damit dies nicht geschieht, ist die kleinste Voraussetzung, um end- lich etwas gegen die Zumutungen des kapitalistischen Alltags zu tun, sich politisch zu organisieren – auch jenseits des Fußballstadions.

SOLIDARITÄT MIT DEN WELTWEITEN KÄMPFEN! ORGANISIERT EUCH!

Antifaschistische Linke Düsseldorf, September 2014


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