Pressemitteilung antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf anlässlich
der Fortführung des Wehrhahn-Anschlag-Prozesses vor dem Landgericht
Düsseldorf
21. März 2018, Kontakt über E-Mail:
[email protected]
Polizeiliche Ermittlungsfehler könnten zur dauerhaften Nichtaufklärung
des Wehrhahn-Anschlags führen
Am morgigen 22. März 2018 soll nach einer zweiwöchigen Pause der
Mordversuch-Prozess gegen Ralf Spies vor der 1. Großen Strafkammer des
Landgerichts Düsseldorf fortgesetzt werden. Schon jetzt zeichnet sich
ab, dass es eng werden könnte für ein eindeutiges Urteil, das auf
Indizien basieren müsste, die in ihrer Gesamtwürdigung keinen anderen
Schluss als die Täterschaft des Angeklagten zulassen. Vieles ist nach
fast 18 Jahren nur noch schemenhaft rekonstruierbar, für die Anklage
wichtige Zeug_innen können oder wollen sich nicht mehr mit der nötigen
Gewissheit erinnern. Der Faktor Zeit spielt eine wesentliche Rolle – und
könnte das sehr akribisch zusammengesetzte und nachvollziehbar
erscheinende Indizien-Mosaik der Anklage zerstören.
Kai Rudolph, Sprecher der antifaschistischen Gruppen aus Düsseldorf: „Im
bisherigen Prozessverlauf ist sehr deutlich geworden, dass die
Ermittlungsbehörden nach dem Anschlag in entscheidenden Punkten versagt
haben. Es kann nur als Beschönigung und zugleich unkluge Lüge bezeichnet
werden, wenn polizeilicherseits seit der Festnahme von Spies 2017
behauptet wird, dass man diesen die gesamte Zeit über – also von Ende
Juli 2000 bis heute – für den Täter gehalten, es aber leider an den
nötigen Beweisen gefehlt hätte. Wäre dem tatsächlich so gewesen, hätte
man ihn dann über zwölf Jahre lang aus den Augen gelassen und damit die
Chance zur Tataufklärung ungenutzt gelassen?“
Der Vorwurf des polizeilichen Versagens meint nicht einmal vorrangig die
hinlänglich bekannte und selbst vom Leiter der zu diesem Zeitpunkt noch
nicht eingerichteten „EK Acker“ kritisierte oberflächliche erste
„Hausdurchsuchung“ des Polizeilichen Staatsschutzes, dessen damals fast
schon kumpelhafter Umgang mit Spies Bände spricht. Gemeint ist, dass es
die „EK Acker“ nicht geschafft hat, zwei offenkundig zusammenhängende
Vorfälle miteinander in Verbindung zu bringen. Ausgehend von der
Behauptung, dass der als Rassist bekannte Spies als Wehrhahn-Täter
gegolten haben soll, hätte auch bereits 2000/2001 klar sein müssen, dass
der Anschlag gezielt gegen die angegriffenen Sprachschüler_innen
gerichtet war. Und vor diesem Hintergrund hätte ein der „EK Acker“
spätestens ab Herbst 2000 bekannter Vorfall vor einem Gebäude auf der
Gerresheimer Straße 54 Klarheit verschaffen müssen. Dort – schräg
gegenüber dem Militaria-Laden von Spies – bedrohten Neonazis aus dessen
Umfeld im Oktober 1999 über Wochen Sprachschüler_innen, die sich dann
zur Wehr setzten und dem braunen Spuk ein Ende machten. [1] Anstatt sich
in ihrem Verdacht bestätigt zu sehen und von nun an nicht mehr von Spies
abzulassen, verwarf die „EK Acker“ aufgrund des Zeitabstands zum
Wehrhahn-Anschlag einen Zusammenhang. Später dann ließ sie komplett von
Spies ab. Hierbei blieb es bis zum Sommer 2014, als Spies sich mit der
Tat brüstete und daraufhin sich eine neue Ermittlungskommission an die
Arbeit machte, Beweismittel gegen ihn zusammenzutragen.
Kai Rudolph: „Unserer Einschätzung nach wurde der lokalen extremen
Rechten und damit auch Spies die Tat nicht zugetraut. Dies geht einher
mit der Ende der 90er Jahre von Antifaschist_innen massiv kritisierten
Verharmlosung und Unkenntnis extrem rechter Umtriebe und Organisierung
in Düsseldorf, bei der sich der Polizeiliche Staatsschutz und der ab
Herbst 1999 amtierende Oberbürgermeister Joachim Erwin besonders
hervortaten.“
[1] Aussage der Sprachlehrerin Christine W., siehe
www.mobile-beratung-nrw.de/wehrhahn-prozess/details/12-prozesstag-im-wehrhahn-prozess-landgericht-duesseldorf-8-maerz-2018/