30. Oktober 2010: Auf nach Velbert! Der Neonazidemo in Neviges entgegentreten!

Für den 30. Oktober 2010 haben neonazistische Gruppen eine demonstrative Aktion am Bahnhof des Velberter Stadtteils Neviges angemeldet, knapp 30 Minuten per Bahn oder Auto von Düsseldorf entfernt im benachbarten Kreis Mettmann gelegen. Motto: „Gegen Gewalt und Überfremdung! – Kriminelle Ausländer raus!“ Als vermeintlicher Anlass wird eine Prügelei im sechs Kilometer entfernten Velberter Herminghauspark angeführt. Eine „Gruppe Türken und Marokkaner“ habe angeblich „deutsche Jugendliche“ angegriffen, einer der deutschen Jugendlichen sei dabei derartig schwer verletzt worden, dass er sich anschließend sogar ambulant (sic!) habe behandeln lassen müssen.

Kundgebung: 30.10.2010
10:00 Uhr, Velbert Neviges Busbahnhof

Der Aufruf antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf zu Gegenaktivitäten in Velbert:

Der „Nationale Widerstand“ bietet sich erwartungsgemäß als Ordnungsfaktor an: „Wo immer deutsche Menschen bedroht, unterdrückt und angegriffen werden, liegt es an uns diese Zustände zu thematisieren und zu bekämpfen. […] Wo gegen einen von uns die Faust erhoben wird, darf eine passende Antwort nicht lange auf sich warten lassen!“ Dass mindestens einer der ihren unter den drei „deutschen Jugendlichen“ gewesen sein dürfte, zeigt ein Kommentar auf der Mobilisierungsseite der Neonazis: „heil euch kameraden“, begrüßt da ein „Marvin“ am 6. Oktober 2010 die Demoveranstalter: „da ich zu den drei jugendlichen zähle, die im herminghauspark grundlos verprügelt wurden, bin ich froh, dass hier mal was passiert…“

Einmal abgesehen davon, dass es also im Herminghauspark ggf. bei einem der vermeintlichen Opfer nicht den Falschen beim Verabreichen eines pädagogischen Satzes heißer Ohren erwischt hat (sofern der Eintrag authentisch ist) und die Demonstration am 30. Oktober eine Reaktion hierauf ist, bei der auf auswärtige Unterstützung gehofft wird („Darum: Auf nach Velbert und zeigt Solidarität!“), versuchen die Velberter Neonazis offensichtlich, sich die gesellschaftliche Stimmung rund um das rassistische Gefasel im Rahmen der so genannten Sarrazin-Debatte zu Nutze zu machen. Schließlich ist es ihr Thema, das auf einmal (noch) gesellschaftsfähig(er) geworden ist. So gesellschaftsfähig, dass sogar SPD-Größen „viel wahres“ an Sarrazins Ergüssen erkannt haben bzw. wieder über „Rassen“ reden wollen. Diese Entwicklung haben natürlich auch Neonazis erkannt und versuchen, davon zu profitieren. In Velbert – so der neonazistische Blick auf die 85.000-EinwohnerInnenstadt – gäbe es „bereits Stadtteile und Straßenzüge in denen man nahezu keinen Deutschen mehr findet“.

Wer steckt hinter dem Aufmarsch?

Als Erstaufrufer und damit wohl auch Veranstalter der neonazistischen Aktion am 30. Oktober gaben sich am 2. Oktober 2010 der NPD-Kreisverband Düsseldorf/(Kreis)Mettmann sowie nicht näher definierte „Freie Nationalisten“ zu erkennen. Anmelder soll der Pulheimer Neonazi Axel Reitz sein, dessen Einfluss in der nordrhein-westfälischen Neonazi-Szene in den letzten Jahren zwar etwas geschrumpft ist, der aber von manchen Gruppen aufgrund seiner Erfahrung und „Führer“-Bühnenshow immer noch gerne als Anmelder und Redner „gebucht“ wird. Auf der Mobilisierungspage der Neonazis werden neben dem NPD KV Düsseldorf/Mettmann folgende Gruppen und Strukturen verlinkt, die die Aktion unterstützen, darauf mobilisieren und zumindest teilweise mit veranstalten: Die „AG Rheinland“, also die regionale Vernetzungsstruktur der „Autonomen Nationalisten, der u.a. auch der „Freie Widerstand Düsseldorf“, die „Freien Nationalisten Mettmann“ und der „Freie Widerstand Solingen“ angehören, das „Freie Netz Köln“ um Axel Reitz, die „Kameradschaft Aachener Land“, „Medinet West“ (ein „Mediennetzwerk Nationaler Sozialisten“) sowie die „Nationalen Sozialisten Wuppertal“, deren Schwerpunkt der Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel ist. Doch offenbar fühlen sich auch einzelne Grüppchen außerhalb dieser Region angesprochen. So vermeldeten kürzlich die „Nationalen Sozialisten Olfen“ aus dem Kreis Coesfeld, dass „rund ein dutzend“ ihrer „Aktivisten“ am 17. Oktober „etwa 1.000“ Demo-Flugblätter „an Haushalte aber auch an interessierte Spaziergänger verteilt“ hätten. Nun gehört die 12.000-EinwohnerInnenkleinstadt Olfen zwar nicht gerade zu den Ballungsräumen mit einer erfahrenen und zahlenmäßig starken Neonazi-Szene, dennoch zeigt das Beispiel, dass das Anliegen der Velberter Szene durchaus zur Kenntnis genommen und unterstützt wird.

Strukturen in Velbert – ein Rückblick …

Neonazistrukturen aus Velbert geben sich bislang nicht explizit als Mitveranstalter zu erkennen. Und tatsächlich gibt es – mit Ausnahme einer nur einmalig unter einem Demoaufruf aufgetauchten „Kameradschaft Velbert“ – seit längerem keine sich explizit auf Velbert beziehende „Freie Kameradschaft“. Auch ein NPD-Ortsverband Velbert existiert nicht. Erwähnte Aufführung einer „Kameradschaft Velbert“ aber lässt erahnen, dass Velberter Neonazis sehr wohl in die neonazistischen Strukturen eingebunden sind, es aber wohl in der Regel vorziehen, namentlich nicht in Erscheinung zu treten. Damit hatte man früher weniger Probleme. In den frühen neunziger Jahren waren es u.a. Aktivisten der später verbotenen Parteien „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) und „Deutsche Alternative“ (DA), die mit ihrem Umfeld in Velbert aktiv waren und sogar zeitweise ein Haus in Velbert-Tönisheide besetzt hielten. Auch eine Reihe körperlicher Angriffe auf ihnen missliebige Personen ging auf ihr Konto, darunter ein Angriff auf ein Punkkonzert, an dem sich 30 bis 40 Personen beteiligten. Aus diesem Kreis stammte auch mindestens einer der Täter, die am 5. Februar 1995 im Velberter Herminghauspark den Obdachlosen Horst Pulter bestialisch ermordeten. Losgezogen waren sie Eigenangaben zufolge aus Langeweile, um im Park Schwäne zu quälen. Als das nicht klappte, diente ihnen Horst Pulter als „Ersatz“. Ab Ende der Neunziger waren es das „Nationale Forum Niederberg“ (NFN) um den damals in Velbert lebenden späteren stellvertretenden Bundesvorsitzenden der „Jungen Nationaldemokraten“, Norman Bordin, und eine als „Siepensturm“ (Siepen ist ein Wohngebiet in Velbert-Neviges) bekannt gewordene Neonaziszene, die für allerlei Aufsehen sorgte. Die damalige Velberter Szene hatte auch beste Kontakte zu überregionalen Neonazikadern wie z.B. Thomas Brehl aus Langen (Hessen) und Michael Thiel aus Duisburg. Wegen ihrer Aktivitäten handelten sich vermeintliche Mitglieder des „Siepensturms“ nicht nur eine Razzia, sondern auch ein später wieder eingestelltes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ein. Im März 2000 hatten Polizeibeamte nach einer Vielzahl von Neonaziaktivitäten, darunter die Schändung jüdischer Gräber und die massive Bedrohung gegen Rechts aktiver Personen, 16 Wohnungen in Velbert-Neviges, Mettmann und Wülfrath durchsucht, 13 Personen im Alter von 17 bis 24 Jahre vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen und Propagandamaterial und einige verbotene Waffen beschlagnahmt.

In der Nacht auf den 23. September 2000 verübten drei Neonazis aus der Velberter Szene und ein Wuppertaler NPDler einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingswohnheim in der Wuppertaler Kreuzstraße. Einer der Brandsätze durchschlug die Scheibe und setzte das Zimmer, in dem zwei Kleinkinder und ihre Eltern schliefen, in Brand. Während es der Mutter gelang, die Kinder in Sicherheit zu bringen, warfen ihr Mann und ein zu Hilfe geeilter Nachbar die brennenden Matratzen aus dem Fenster und versuchten, das Feuer im Zimmer zu löschen, was aber erst der zwischenzeitlich eingetroffenen Feuerwehr gelang. Mit von der Partie war der Velberter Neonazi Sascha Lamijon, der bereits aktiv dabei war, als Horst Pulter ermordet wurde. Das Landgericht Wuppertal verurteilte den einschlägig Vorbestraften letztendlich wegen vierfachen versuchten Mordes und versuchter besonders schwerer Brandstiftung zu einer zehnjährigen Haftstrafe, ebenso wie den Wuppertaler Stefan Moser. Der Velberter Markus Ott kassierte neun Jahre, der vierte Täter, der sich als „Mitläufer“ verkaufen konnte, viereinhalb Jahre nach dem Jugendstrafrecht. Auch er lebte in Velbert.

und aktuell

Die Neonazi-Szene in Velbert, bzw. das, was hiervon übriggeblieben war, war gezwungen, fortan den Ball etwas flacher zu halten. Es blieben jedoch ihre RechtsRock-Strukturen und Leidenschaft für den heutigen Fünftligisten SSVg Velbert, in deren Fanumfeld bis heute zahlreiche Neonazis anzutreffen sind. Bands wie „Zorn“ (Frontmann Volker Schemaitat aus Velbert verstarb kürzlich an einer Überdosis der von „Ausländern“ importierten Droge „Ouzo“) und „Notwehr“ sowie die bis heute aktiven und mit großer personeller Kontinuität gegründeten Combos „Mahnwache“ und „Projekt Aaskareia“ bildeten Kristallisationspunkte für die Szene, hinzu kam um 2005 die Band „Dux et Patria“ („Führer und Vaterland“). Bis heute werden ungestörte „Kameradschaftstreffen“ und Veranstaltungen, an denen auch überregionales Publikum sowie als Referenten Neonazikader wie Axel Reitz teilnehmen, Liederabende und Konzerte durchgeführt. Die Szene pflegt ihre überregionalen Kontakte. Hierbei spielte in den letzten Jahren „Dux et Patria“ um ihren seit vielen Jahren in der Szene aktiven Frontmann Marco Cherubin eine wichtige Rolle. Fotos zeigen Marco Cherubin im Kommunalwahlkampf 2009 zusammen mit NPD-KommunalwahlkandidatInnen und WahlhelferInnen im Rhein-Erft-Kreis (unter ihnen Axel Reitz), auf Konzerten und einer Reihe von Aufmärschen. Und so verwundert es auch nicht, dass es Axel Reitz persönlich ist, der die Aktion am 30. Oktober 2010 angemeldet hat. Die Velberter Neonaziszene scheint es an die Öffentlichkeit zu drängen, hat sie doch in den letzten Jahren gemerkt, dass sie wieder ungestört agieren und sich zahlenmäßig wieder vergrößern kann. Ausgangspunkt der Aktivitäten ist offenbar der Velberter Stadtteil Neviges geblieben.

Parallel sind auch in einigen anderen kreisangehörigen Städten im Kreis Mettmann und in den nahen kreisfreien Städten Wuppertal und Düsseldorf weitere Gruppen entstanden, teilweise ist es auch zu einer Wiederbelebung lange inaktiver NPD-Strukturen gekommen. Auch zu Neonazis in Essen pflegte und pflegt die Velberter Neonaziszene seit vielen Jahren beste Kontakte. Beispielsweise waren Mitglieder der kameradschaftsähnlichen Nazihooltruppe „Die Moite Essen/Duisburg“ regelmäßige Gäste auf den Velberter Veranstaltungen. Der eng mit den „Freien Kräften“ verzahnte und dem NS-Flügel der NRW-NPD angehörige NPD-Kreisverband Düsseldorf/(Kreis)Mettmann hat in den letzten Jahren wieder Aktivitäten entfaltet und traut sich allmählich auch an eigene Aktionen heran, die über den einen oder anderen Infostand hinausgehen. Vorsitzende des Kreisverbandes ist Nadine Braun aus Mettmann. In Velbert selber wohnt der stellvertretende NPD-Kreisvorsitzende Detlef Hebbel, seit vielen Jahren als Landesschatzmeister auch Mitglied des NPD-Landesvorstandes. In Düsseldorf sind mit Manfred Breidbach aus Rath (NPD-Ortsvorsitzender und stellvertretender Kreisvorsitzender) und Andreas Büchner aus Derendorf (Beisitzer im NPD-Kreisvorstand und Ortsvorstandsmitglied) zwei der Hauptakteure der hiesigen NPD-Strukturen beheimatet, von Ratingen aus agiert der ehemalige Aktivist der „Nationalistischen Front“ (NF) und spätere NPD-Funktionsträger Ralf-Peter Zecher (Beisitzer im NPD-Kreisvorstand und Ortsvorstandsmitglied).

Was geht?

Was ist nun am 30. Oktober in Velbert-Neviges zu erwarten? Gemessen an der Mobilisierung der regionalen Strukturen muss von einer Teilnahme von 100 (bis maximal 150) Neonazis ausgegangen werden. Doch solche Zahlen sind nicht mehr als eine grobe Schätzung. Viele Punkte spielen hierbei eine Rolle: Wie groß ist die lokale Ausstrahlung der Mobilisierung bei der ersten Demo der Neonaziszene in Velbert überhaupt? Wieviel Unterstützung kommt von außerhalb? Wird als Aktionsform ein Aufmarsch oder eine weniger attraktive Kundgebung gewählt bzw. genehmigt? Beteiligt sich der Mehrheitsflügel der NPD NRW um ihren Vorsitzenden Claus Cremer, obwohl die NPD Düsseldorf/Mettmann aufgrund parteiinterner Querelen einen Boykottaufruf der „Kameradschaft Aachener Land“ gegen den NPD-Landesvorstand und diesem nahestehender Kreisverbände unterstützt? Und letztendlich: Was formiert sich an Widerstand gegen den neonazistischen Spuk? Insbesondere für das mobilisierbare Szene-Umfeld ist es zum Beispiel eine wichtige Frage, was an Gegenwehr zu erwarten und ob eine problemlose An- und Abreise gewährleistet ist. Aber auch, ob am Arbeitsplatz (sofern vorhanden), in der Schule oder im Wohnumfeld bekannt werden könnte, womit man sich den herbstlichen Samstagnachmittag vertrieben hat.

Informiert Euch!

Haltet Euch über den aktuellen Stand der geplanten Gegenaktivitäten auf dem Laufenden! Die „Antifaschistische Aktion Velbert“ informiert unter http://antifavelbert.wordpress.com/ und http://nevigesnazifrei.wordpress.com. Hier findet Ihr auch Mobilisierungsmaterial. Aktuell wird auf 10.00 Uhr zum Busbahnhof in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes Velbert-Neviges mobilisiert. Informiert Euch aber bitte, ob es dabei bleibt! Und reist bitte in Gruppen an!

Es gibt kein ruhiges Hinterland: Auf nach Velbert!

Lasst die Antifas vor Ort nicht alleine mit dem Nazipack!

Keinen Fußbreit den Faschisten!

21.10.2010, AntifaschistInnen aus Düsseldorf




Kommentare

5 Antworten zu „30. Oktober 2010: Auf nach Velbert! Der Neonazidemo in Neviges entgegentreten!“

  1. […] Aufruf antifaschistischer Gruppen aus Düsseldorf http://antifa-duesseldorf.de/2010/10/21/30-oktober-2010-auf-nach-velbert-der-neonazidemo-in-neviges-… Aufruf der Antifa-Gruppen aus dem Bergischen Land […]

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